Sommerfest: König Neptuns Besuch

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Der Sommer neigte sich seinem Ende zu und so stand das jährliche Sommerfest im Terminkalender des Vegesacker Rudervereins. Erstmalig seit vielen Jahren sollte dieses ohne die traditionelle Taufe der Anfänger der vergangenen Saison stattfinden.

Über 90 Mitglieder und Freunde trafen pünktlich um 19.00 Uhr auf dem Gelände des Bootshauses ein und stießen, zum Erschrecken einiger Vereinsmitglieder, auf 3 Häscher in furchteinflößendem Outfit, welches eindeutig die Anfängertaufe vermuten ließ. Auch der königliche Thron Neptuns ließ dahingehend keinen Zweifel aufkommen.
Wenig später erklang ein lautes Tröten von der Lesum und ein kleines Tuckerboot, legte dank des 4. Häschers fachmännisch am neuen Anleger an, so dass König Neptun nebst seiner Gattin, sowie dem Medicus und dem Barbier an Land gelangen konnten, um dort einigermaßen würdevoll von Uwe Vielstich, dem 1. Vorsitzenden des Vegesacker Rudervereins, begrüßt zu werden. Jetzt, so schien es, gab es für die Neulinge kein Entrinnen mehr – König Neptun wollte grade voller Inbrunst die Taufe des Rudernachwuchses ankündigen, als er von seiner Gattin, Königin Brünhilde, von seinem Vorhaben abgebracht wurde und auf den eigentlichen Grund seines Kommens hingewiesen wurde. Und so fuhr er seine Ansprache fort:

 

„Ach ja! Euren Nachwuchs soll ich noch ein Jahr schonen. Aber ich bin ja nicht nur so zum Spaß zu euch gekommen. Ich werde einfach euren Hightech-Anleger taufen.

Leider ist das alte Monstrum verschieden. Ist es euch eigentlich klar, dass der euch fast vier Jahrzehnte treu gedient hat? Und das fiel ihm nicht immer leicht. Mit euren schmutzigen Schuhen und schweißnassen, stinkenden Socken habt ihr ihn getreten. Enten haben ihn immer wieder voll geschissen. In den ersten Jahren schwamm er noch im Schutz des Polizeianlegers. Dort durfte er auch im Winter ruhen. Nur wenn mein Kumpel Winter es zu arg trieb, riefet ihr den Schwimmkran vom Bremer Vulkan heran. Der hievte dann die vier Tonnen Stahl über die Mauer und setzte ihn samt Brücke auf den Rasen. Leider ging der Vulkan den Weg aller Sterblichen: Er starb. Nun war Ruderfreund Hinni, er war damals noch ein junger, herrischer Mann, gefordert. Mit Hilfe von Rollen, Rädern und schwerem Gerät ließ er die Brücke an Land ziehen. Der Ponton schwamm ins Winterlager.

Doch eines Morgens, es war im Winter 80/81, stürmten aufgeregte Ruderfreunde das Büro des obersten Ruderfreundes Konsul Franz. „Franz! Franz!“, schrieen sie, „Unser Anleger ist weg. Man hat ihn geklaut!“ Der oberste Ruderfreund Konsul Franz setzte eine Belohnung für die Wiederbeschaffung des unentbehrlichen Stückes aus und ging seinen Tagesgeschäften nach. Schon nach wenigen Tagen brachte der Postbote dem obersten Ruderfreund Konsul Franz einen Brief. In ihm war zu lesen, dass der Ponton trotz wiederholter Aufforderungen des Wasser- und Wirtschaftsoberbaurates immer noch nicht abgebaut war. Für nur 6.000 DM könnten sich die Ruderer ihren Anleger vom Hafen Hasenbüren abholen.

Für dieses Geld feierten wir ein rauschendes Unterwasserfest in meiner Burg vor Helgoland.

Ruderfreund Hinni sorgte nun dafür, dass der Ponton rechtzeitig ins Winterlager geschafft wurde. Er entwickelte sogar eine Technik, die Brücke einfach hochzuklappen. Ruderfreund Hinni war nicht immer lieb zu seinen Leuten. Dennoch parierten sie aufs Wort.

Doch im Laufe der Jahrzehnte wurde die Haut des Anlegers immer dünner. Auf der einen Seite hielt sie dem Wasserdruck nicht mehr stand. Ruderfreund Thommy versuchte den Anleger mit Hilfe von leeren Fässern und großen LKW-Schläuchen zu stützen. Aber dann, im vergangenen Winter, wollte der Stahlkoloss nicht mehr. Ruderfreund Carl und Ruderfreund Dr. Heinz schleppten ihn zu seinem Geburtsort, dem Bremer Vulkan, und ließen ihn an Land hieven. Ein Auftriebskörper wurde geöffnet. Dabei ersoff fast eine Mann. Der Schwall der Tränen, die sich im Laufe der Leidenszeit in den Tanks des Kolosses gesammelt hatten, spülte den ehemaligen Vulkanesen in die Weser. Gnadenlos brannten Schiffbauer den treuen, alten Anleger auseinander und schickten seine Überreste in den Hochofen. Ruderfreund Geldbeschaffer Manni steckte dafür ohne Bedauern ein Kopfgeld in Höhe von 1.000 € ein.

Inzwischen erinnerte man sich an den legendären Innenhofüberdachungsausschuss des VRV. Dem war es – in nur fünf Jahren! – gelungen, den Innenhof des Bootshauses zu überdachen. Der Ausschuss wurde wieder berufen und personell ergänzt. Sein Auftrag: Anschaffung eines neuen Anlegers. Die Männer planten, nahmen Kontakt mit einer Rendsburger Firma auf, bemühten sich um die Finanzierung. Und, oh Wunder, nach gut einem halben Jahr rollte ein Laster mit den Anlegersegmenten zum Grohner Hafen. Ruderfreund Ulli war natürlich mit seinem Trupp zur Stelle. Gekonnt leitete er seine Leute und die professionellen Anlegerbauer an. Mit wachen Augen verfolgte Ruderfreund Hinni die Arbeiten und all die Anweisungen seines Nachfolgers im Amt des obersten Anlegerbetreuers. Und schon bald schwamm dieses neue, hochmoderne Wunderwerk der Anlegerbaukunst. Er ist nicht nur länger und breiter als sein Vorgänger. Nein, er bringt auch nur den Bruchteil des Gewichts des alten Kolosses auf die Waage. Der Neue ist wahrlich schön. Leicht ist er und teuer. 50.000 €! Was soll´s: Das Sportamt und die Sparkasse in Bremen, der Beirat Vegesack und eure Ruderfreundinnen und –freunde gaben gerne. Ihr könnt sogar noch einen Teil des Kopfgeldes, das Ruderfreund Geldbeschaffer Manni eingesackt hat, heute verbraten. Ich bin stolz, dass es in meinem Reich einen so schönen, leichten und teuren Anleger gibt!“

 

König Neptun nebst Gefolge schritt die Brücke hinunter zum Anleger, um dort, direkt vor Ort die Taufe zu vollziehen. Um diesem Zeremoniell hautnah folgen zu können, drängelte sich das Rudervolk auf der Brücke. Der Medicus untersuchte den neuen Anleger, dabei schlug mit einem recht massigen Holzhammer auf die unschuldigen einzelnen Anlegersegmente und kontrollierte mit seinem irgendwo geklauten gelben Stethoskop, ob die Schläge dem Anleger auch wirklich wehgetan haben. Der Barbier schruppte die Entenscheiße in aller Ruhe in die Lesum. „Der Anleger ist gesund, “ meldete der Medicus, „Der Anleger ist sauber, “ sagte der Barbier. „Hiermit taufe ich dich auf den Namen „Aluminius von der Lesum“! Mögen dir Hitze und Kälte, Regen, Schnee und Hagel, Sturm und Eisgang und rücksichtslos anlegende Boote nicht all zu großen Ärger bereiten!“ Mit diesen Worten goss Neptun aus einem silbernen Eimer echtes Lesumwasser auf den nun getauften und mit einem Namen benannten, neuen Hightech-Anleger und übergab ihn so als vollwertiges Mitglied dem Vegesacker Ruderverein.

 

 

Klaus Walter Sieg & Bärbel Walter